Die Absicherung der eigenen Arbeitskraft ist ein Thema, das alle Erwerbstätigen beschäftigen sollte. Es ist allerdings oft mit Unsicherheiten verbunden: Welche Versicherung passt am besten zu meinen Bedürfnissen? Soll es die klassische Berufsunfähigkeitsversicherung sein, oder gibt es sinnvollere Alternativen wie die Grundfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung?
Philip Wenzel, Vertriebsspezialist BU bei der Fonds Finanz, bringt Licht ins Dunkel und erklärt im Interview, welche Zielgruppen von den verschiedenen Produkten profitieren und welche Missverständnisse es in der Praxis gibt.
Grundfähigkeitsversicherung
Redaktion: Für welche Zielgruppen ist die Grundfähigkeitsversicherung besonders geeignet?
Philip Wenzel: Man muss verstehen, dass der Auslöser der GFV nichts mit dem Beruf zu tun hat. Die einzelnen Grundfähigkeiten kommen eher aus dem Alltag als dem Berufsleben und dementsprechend muss die Zielgruppe auch eher auf Grund ihrer Freizeitgestaltung definiert werden. Die eigentliche Zielgruppe müssen dann Garten-, Haus-, oder Tierbesitzer sein, denen neue Kosten entstehen, wenn sie eine Grundfähigkeit verlieren, weil jemand anderes den Garten, das Haus oder das Tier pflegen muss.
Menschen, die sich für eine GFV entscheiden, wenn die BU zu teuer ist, wären ja zum einen keine Zielgruppe und zum anderen wäre es auch am Bedarf vorbei, weil es keinen Zusammenhang zwischen dem Beruf und den versicherten Grundfähigkeiten gibt.
Redaktion: Welche grundlegenden Unterschiede gibt es zwischen der Grundfähigkeitsversicherung und einer Berufsunfähigkeitsversicherung?
Philip Wenzel: Die BU leistet, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen meinen Beruf für sechs Monate nicht mehr ausüben kann.
Die GFV leistet, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen die Grundfähigkeiten in den Bedingungen für sechs Monate nicht mehr ausführen kann. Was ich arbeite, ist komplett egal. Es kann sein, dass eine Grundfähigkeit verloren geht, aber ich noch arbeiten kann und es kann sein, dass ich überhaupt nicht mehr arbeiten kann, aber noch keine Grundfähigkeit verloren habe.
Erwerbsunfähigkeitsversicherung
Redaktion: Was sind die grundlegenden Unterschiede einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung gegenüber einer Berufsunfähigkeitsversicherung?
Philip Wenzel: Im Leistungsfall wird bei der BU nur mein zuletzt in gesunden Tagen ausgeübter Beruf geprüft und bei der EU der allgemeine Arbeitsmarkt. Außerdem spielt bei der BU hauptsächlich das Arbeitsergebnis eine Rolle, während die EU nur auf die Arbeitszeit abstellt.
Redaktion: Für welche Berufe oder Lebenssituationen empfehlen Sie die EU im Vergleich zu anderen Produkten?
Philip Wenzel: Die EU ist geeignet für alle, die sich eine BU nicht leisten können oder wollen, aber ein wenig Geld auf der Seite haben, um eine Umschulung finanziell überstehen zu können.
Gerade für Handwerker lohnt sich das in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist der Beitrag günstiger, weil in der EU weniger Berufsgruppen unterteilt werden und somit die Kollektive größer sind. Tatsächlich wäre für einen Akademiker die EU teurer als die BU.
Und auf der anderen Seite kann ein Handwerker relativ einfach auf einen weniger körperlichen Beruf umschulen.
Redaktion: Wie schätzen Sie die Akzeptanz und das Verständnis der Erwerbsunfähigkeitsversicherung bei den Kunden ein? Gibt es Missverständnisse, die häufiger auftreten?
Philip Wenzel: Für viele Kunden entspricht die EU vermutlich sogar dem Versicherungsumfang, den sie von einer BU erwarten. Eine Versicherung, die erst leistet, wenn ich mit dem Kopf unterm Arm ankomme. Und viele brauchen auch noch keine Versicherungsleistungen, solange sie noch umschulen können.
Leider wird in der Beratung die gesetzliche Erwerbsminderungsrente gern als der letzte Müll dargestellt. Das trifft aber weniger auf den Auslöser, sondern viel mehr auf die Höhe der Rente zu.
So kommt es, dass die Kunden dann lieber mehr Geld für einen Schutz zahlen, den sie während einer Umschulung nicht mal in Anspruch nehmen, weil sie es finanziell allein stemmen können.
Berufsunfähigkeitsversicherung
Redaktion: Die Berufsunfähigkeitsversicherung gilt als „Goldstandard“ der Arbeitskraftabsicherung. Welche Zielgruppen sollten unbedingt eine BU in Betracht ziehen?
Philip Wenzel: Akademiker, weil es für sie auch der günstigste Schutz ist und alle, die bei einer Umschulung sofort ein finanzielles Problem hätten, weil sie keine Rücklagen haben.
Damit wir uns hier nicht falsch verstehen… Jeder, der von seinem Einkommen lebt, muss sein Einkommen absichern. Es muss aber nicht immer die BU die Lösung sein. Es können auch günstigere Kombinationen passen, wenn der Kunde die entsprechende Eigenverantwortung finanziell tragen kann.
Redaktion: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Beratung zur BU, insbesondere bei der Abgrenzung zu anderen Produkten wie der GFV und EU?
Philip Wenzel: Es wäre wichtig, zuerst den Bedarf zu ermitteln und die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu erfragen. Dann kann man auch die passenden Produkte wählen. Leider ist es so, dass die meisten Vermittler sich aus – in diesem Fall – unnötiger Angst vor der Haftung zu sehr auf die BU konzentrieren.
Außerdem sollte der Kunde unbedingt wissen, dass die GFV nichts mit dem Beruf zu tun hat. Wenn die GFV eine Alternative zur BU sein soll, dann muss eine AU-Klausel vereinbart sein, damit wenigstens bei einer längeren Krankschreibung geleistet wird und so eine Umschulung finanziert werden kann.
Titelbild: © Philip Wenzel