KI & Digitalisierung im Vermittleralltag: Zwischen Strategie und Anwendung

Der Versicherungsvertrieb steht vor einer Zeitenwende. KI und Digitalisierung verändern, wie Kunden denken – und wie Berater arbeiten. Was für viele wie ein technischer Megatrend klingt, zeigt sich längst im Vermittleralltag: Online-Beratung, automatisierte Prozesse, personalisierte Ansprache. Wer heute effizient beraten will, kommt an digitalen Lösungen nicht mehr vorbei.

Der folgende Überblick zeigt, wie Vermittler KI und Digitalisierung konkret nutzen können – und was sich dadurch im Arbeitsalltag verändert.

Digitalisierung: Fundament statt Zusatz

Die digitale Transformation ist längst keine Option mehr – sondern eine Grundvoraussetzung. Laut einem Trend-Report der Versicherungsforen Leipzig in Zusammenarbeit mit Liferay modernisieren derzeit rund 78 % der Versicherer ihre Prozesse und IT-Systeme – Digitalisierung ist damit längst zentrale Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit. Prozesse wie Terminplanung, Dokumentation oder Vertragsabschlüsse werden zunehmend automatisiert – und digitale Tools erscheinen auf der Bildfläche.

Diese Tools sparen vor allem eines: Zeit. Michael Gackstatter, Gründer der KI-Vertriebsplattform TODAY, berichtet im WWK-Podcast „Standpunkt“: „Viele Vermittler berichten, dass sie durch die automatische Protokollierung mit TODAY vier bis fünf Stunden pro Woche einsparen.“ Während des Gesprächs erfasst TODAY Aufgaben, Gesprächsinhalte und To-dos – und erstellt im Anschluss automatisch ein strukturiertes Protokoll.

Auch das Maklerverwaltungsprogramm Professional works des Deutschen Maklerverbunds (DEMV) zeigt, wie Automatisierung funktioniert: Kundenakten aktualisieren sich durch Anbindung an über 100 Versicherer automatisch. Ein integrierter Vorgangsmanager bündelt Kommunikation, Notizen und Aufgaben zentral – und spart damit Zeit in der Verwaltung.

KI verändert Beratung – aber nicht den Berater

TODAY analysiert hunderte Gespräche, erkennt Muster und liefert so wertvolle Hinweise für die Gesprächsführung. „Aus über 100 Gesprächen haben wir typische Verläufe erkannt – sowohl erfolgreiche als auch verbesserungswürdige“, so Gackstatter. Diese Feedbackschleifen helfen Vermittlern, sich gezielt weiterzuentwickeln.

Thorben Schlätzer, Geschäftsführer von dreifach.ai, begleitet Unternehmen bei der digitalen Transformation. Für ihn bleibt die menschliche Komponente trotz jeglicher Digitalisierung und KI unverzichtbar. Er rät jedoch zu Offenheit: „Wenn ein Vermittler grundsätzlich offen für KI ist, bekommt er durch handfeste Beispiele schnell eine Vorstellung davon, wie Technologie konkret unterstützen kann.“ Schlätzer sieht zudem Bereiche, in denen sich Menschen bewusst für eine Beratung entscheiden, weil Produkte komplex sind oder Entscheidungen weitreichend sind. Gleichzeitig sieht er, dass weniger margenstarke Sparten wie die private Sachversicherung zunehmend automatisiert werden – was wiederum Freiräume für hochwertige Gespräche schafft.

Gackstatter unterstreicht diese Sicht: KI solle nicht ersetzen, sondern unterstützen. „Unser Ziel ist es, dem Berater dort Arbeit abzunehmen, wo Routineprozesse Zeit fressen – nicht da, wo Beziehungen aufgebaut werden.“

Mehr Nähe durch Personalisierung

Digitale Tools können nicht nur Zahlen und Daten speichern, sondern auch persönliche Details – etwa Interessen, Ziele oder Vorlieben. TODAY merkt sich, ob ein Kunde eine Weltreise plant oder Fan eines bestimmten Vereins ist. Das erleichtert den Gesprächseinstieg und sorgt für eine individuellere Ansprache. Diese Erkenntnisse helfen Vermittlern dabei, ihre Gesprächsführung gezielt zu verbessern.

Für Schlätzer ist genau das die Stärke digital unterstützter Beratung: „Die Entwicklung spielt guten Beratern in die Karten – denn durch Entlastung in der Sachbearbeitung wird wieder mehr Fokus auf den Kunden möglich.“

Vertrauen schaffen, Verantwortung tragen

Mit dem Einsatz von KI steigen die Anforderungen an Transparenz und Datenschutz. Die Versicherungsaufsicht (BaFin) betonte im März 2025, dass vertrauenswürdige KI-Systeme im Finanzbereich essenziell seien – vor allem im sensiblen Umfeld der Beratung.

Gackstatter unterstreicht: „Wir hosten alles in Europa und holen vor jedem Gespräch eine explizite Einwilligung ein. Ohne Datenschutz kein Vertrauen – und ohne Vertrauen keine Beratung.“

Was kommt als Nächstes?

Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) hat das Potenzial, die Versicherungsbranche grundlegend zu transformieren. Durch den Einsatz von GenAI können Versicherer ihre Prozesse optimieren und personalisierte Dienstleistungen anbieten. Beispielsweise ermöglicht GenAI eine automatisierte und beschleunigte Schadensregulierung, was zu einer effizienteren Abwicklung führt. Zudem können Versicherungsunternehmen durch den Einsatz von GenAI personalisierte Angebote erstellen, die besser auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind.

Ein weiteres Anwendungsfeld von GenAI in der Versicherungsbranche ist die Betrugserkennung. Durch fortschrittliche Anomalieerkennung können potenzielle Betrugsfälle effektiver identifiziert und verhindert werden.

Schlätzer rät Vermittlern, KI im Alltag regelmäßig zu nutzen, um das eigene Skillset aufzubauen. „Wir werden KI erleben, die kleinere Tätigkeiten vollständig übernimmt – und so den Fachkräftemangel abfedert.“

Auch Gackstatter blickt voraus: Gesprächsanalysen in Echtzeit, Empfehlungen während des Gesprächs, automatisierte Handlungsoptionen. „Audio-KI, Agents und Reasoning-Modelle – das sind aus meiner Sicht die drei großen Themen, die derzeit alles dominieren.“

Die Implementierung generativer KI bietet somit erhebliche Chancen für die Versicherungsbranche, birgt jedoch auch Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich Datenschutz, Compliance und ethischer Verantwortung. Ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit diesen Technologien ist daher unerlässlich.

Digital denken, menschlich handeln

Die Essenz bleibt: KI verändert die Arbeitsweise, nicht die Rolle des Vermittlers. Wer KI heute nutzt, spart Zeit, arbeitet strukturierter und kann sich stärker auf den Kunden konzentrieren. Drei konkrete Schritte können dabei befolgt werden: Offenheit schaffen, Tools ausprobieren, Prozesse identifizieren.

Schlätzer bringt es auf den Punkt: „Es wird nicht darum gehen, Menschen zu ersetzen – sondern darum, Beratern wieder den Raum zu geben, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: ihre Kunden.“

Weitere Impulse und Einblicke aus der Praxis vermittelt der WWK-Podcast „Standpunkt“, in dem Michael Gackstatter darüber spricht, wie KI den Beratungsalltag bereits heute verändert.

Hier geht’s zur Folge

Titelbild: © Alexandra / stock.adobe.com
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