Die Rentensysteme kommen immer mehr an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Gründe dafür gibt es viele. Welche Mechanismen können den Druck mindern?
1.300 Euro Rente
„Beim derzeitigen Rentenniveau landet jeder dritte Arbeitnehmer bei einer Bruttorente von unter 1.300 Euro“, berichtete die Tagesschau zu Jahresbeginn. Immer mehr Menschen gehen auch nach ihrem 67. Lebensjahr einer Arbeit nach, weil das Geld anders nicht ausreicht. Und im Juni schlug die Bundesbank vor, das Rentenalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Der Trend ist deutlich sichtbar: Es lastet Druck auf dem Rentensystem der Bundesrepublik. Unter anderem ist dafür das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung an dieser Entwicklung schuld.
Die Bevölkerung altert
Die Zahlen liegen auf dem Tisch: Das Durchschnittsalter der europäischen Frauen beträgt 83 Jahre, bei den Männern sind es 78 Jahre. Deutschland liegt in beiden Kategorien leicht über dieser Marke. Vor allem bedeutet das, dass Rentner bei einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren länger als ein Jahrzehnt mit den Leistungen aus Vorsorge und Sparschwein auskommen müssen. Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat die Details dazu. Neben der Überalterung kommen allerdings zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Schwankungen hinzu, die das Rentensystem belasten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat nun offengelegt, wie die Nationen dieses Problem angehen.
Pensions at a Glance
Neben der Überalterung spielen die neuesten Krisen als erschwerende Faktoren eine Rolle bei der Schwächung des Rentensystems. Zum Beispiel schrumpften die Pensionstöpfe während der Coronavirus-Pandemie aufgrund von ausbleibenden Einzahlungen. Das fand die OECD in der Studie „Pensions at a Glance 2021“ heraus.
„Die Krise trifft vor allem junge Leute schwer. Es kann sein, dass ihre künftigen Vergünstigungen niedriger ausfallen als gedacht, vor allem, wenn die Pandemie langfristige Narben hinterlässt“, schreibt die OECD in einer Pressemeldung. Um allzu schwere Folgen zu verhindern, haben viele Länder spezielle Anpassungsmechanismen bei gesetzlichen Rentensystemen vorgenommen. Insgesamt gibt es derlei Mechanismen in mehr als zwei Dritteln aller OECD-Länder. Zu ihnen gehören Estland, Griechenland, Ungarn, Mexiko und Polen. Weiterhin haben Länder wie Chile und Lettland, aber auch Deutschland, ihre Einkommenssicherung für den Niedriglohnsektor erhöht. Schweden hat das Mindestalter für den Renteneintritt erhöht, Irland hat den bereits geplanten Anstieg des Rentenalters von 66 auf 68 Jahre rückgängig gemacht. Weiterhin haben Deutschland, Irland, Italien und weitere Länder die Möglichkeiten für den vorzeitigen Ruhestand erweitert.
„Angesichts von demographischen, ökonomischen und finanziellen Trends können die Gesetzgeber sich dazu entscheiden, nicht zu handeln und die negativen Konsequenzen dieser Trends hinzunehmen. Oder aber sie können die Parameter, nach denen die Rente funktioniert, anpassen.“ – Aus dem Bericht Pensions at a Glance 2021“
AAMs im Überblick
Dem Bericht zufolge wird das normale Renteneintrittsalter bis zu den Sechzigerjahren um durchschnittlich zwei Jahre steigen. Die größte langfristige Herausforderung wird sein, die Rente finanziell und sozial nachhaltig zu gestalten. Viele Länder haben sogenannte Automatic Adjustment Mechanisms (AAMs) eingesetzt, die die verschiedenen Parameter eigenständig verschieben können. Dazu gehören etwa das Renteneintrittsalter, Vergünstigungen oder die Einzahlungsfrequenz. Die AAMs aktivieren sich bei einer Veränderung der demographischen, ökonomischen oder finanziellen Rahmenbedingungen. Der OECD zufolge sind diese Anpassungsmechanismen dringend notwendig, um etwa der Überalterung entgegenzuwirken.
Regen oder Traufe
Die Analyse der OECD zeigt, dass die AAMs im Laufe der Jahre hin und wieder ausgesetzt oder gar eliminiert waren, um Einschnitte bei den Rentenzahlungen zu verhindern. Verglichen mit der aktuell drohenden Alternative aber sind AAMs ungleich weniger unvorhersehbar, darüber hinaus transparenter und effizienter über Generationen hinweg.
Weitere Details dazu gibt es im Bericht Pensions at a Glance 2021.
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