Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückholen: Was erlaubt ist

Ostern steht vor der Tür – und die Deutschen kommen wieder in Reiselust. Doch was, wenn sich gleichzeitig ein Arbeitsberg im Unternehmen anhäuft? Darf der Chef, sobald ein Mitarbeiter bereits im Urlaub ist, eine Rückreise anordnen?

Deutsche im Urlaubsfieber

Nachdem das deutsche Reisefieber im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr deutlich abgekühlt war, sind die Deutschen wieder in Stimmung. Wie das Statistikportal Statista berichtet, gaben Bundesbürger im Jahr 2021 im Schnitt 1.017 Euro pro Person und Reise aus. Ein Jahr vorher waren es noch 890 Euro gewesen. Auf das ganze Jahr berechnet, belief sich die Zahl der Urlaubsreisen auf 55,1 Millionen. Durchschnittlich verreisen Deutsche für 13 Tage – und am liebsten innerhalb der Republik. Laut der Sparkasse blieben 50 Prozent der Urlauber im Inland, 42 Prozent hielten sich innerhalb Europas auf und acht Prozent reisten hinaus in die weite Welt.

Doch was, wenn im Büro noch Arbeit liegt und der Chef merkt, dass die Arbeitskraft im Unternehmen ausgedünnt ist? Darf er Mitarbeiter zurückholen, obwohl diese bereits die Koffer gepackt haben? Das haben wir bei Leander van Velzen nachgefragt, Rechtsanwalt und Experte für Arbeitsrecht der Rechtsanwaltskanzlei van Velzen in Kassel.

Redaktion: Herr van Velzen, Dürfen Arbeitnehmer ihre Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückholen?

Leander van Velzen

Leander van Velzen: Ist der Erholungsurlaub durch den Arbeitgeber erst einmal genehmigt, ist dieser in der Regel auch daran gebunden und kann seine Meinung nicht wieder einseitig ändern. Das Bundesurlaubsgesetz enthält keine Vorschriften zur Unterbrechung des Urlaubs durch den Arbeitgeber. Auch ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.06.2000 die ständige Abrufbereitschaft im Urlaub ausgeschlossen. Dies würde auch dem eigentlichen Zweck des Urlaubs entgegenstehen; nämlich dem der Erholung.

Nur in äußersten Ausnahmefällen kann es erlaubt sein, einen Mitarbeiter aus dem Urlaub zu holen. Hierfür muss es jedoch dringende betriebliche Gründe geben.

„In Betracht kommen etwa Naturkatastrophen oder vergleichbare Unglücksfälle.“

Redaktion: Welche Gründe rechtfertigen einen solchen Schritt?

Leander van Velzen: Diese müssten gravierend sein. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Existenz des Betriebes gefährdet ist und es keine Alternativen zur Urlaubsunterbrechung (zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber keinen Ersatz findet) gibt.

Es muss somit ein betrieblicher Notfall vorliegen, der die Rückkehr des Mitarbeiters zwingend notwendig macht.

In Betracht kommen etwa Naturkatastrophen oder sonstige vergleichbare Unglücksfälle. Eine dünne Personaldecke genügt hingegen keinesfalls. Dies wäre auf mangelhafte Organisation des Arbeitsgebers zurückzuführen und darf dem Mitarbeiter nicht zum Nachteil gereichen.

Verweigert der Mitarbeiter seine Rückkehr, muss er grundsätzlich auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie zum Beispiel eine Abmahnung oder Kündigung fürchten.

Redaktion: Was geschieht mit dem Urlaub des Mitarbeiters?

Leander van Velzen: Sollte ein Mitarbeiter dennoch dem Ruf des Arbeitgebers folgen und seinen Urlaub abbrechen, müssen ihm die Tage, welche er nicht nehmen konnte, gutgeschrieben werden, damit er sie zu einem anderen Zeitpunkt in Anspruch nehmen kann.

„Wer beschließt, einen Arbeitnehmer aus dem Urlaub zu holen, muss folglich teilweise ziemlich tief in die Tasche greifen.“

Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer für die geleistete Arbeitszeit wie üblich entlohnt werden. Zusätzlich muss der Arbeitgeber jegliche Kosten übernehmen, welche mit dem Urlaubsabbruch zusammenhängen. Dies betrifft zum Beispiel Umbuchungs-, Rückflugs- oder Stornierungskosten. Wer beschließt, einen Arbeitnehmer aus dem Urlaub zu holen, muss folglich teilweise ziemlich tief in die Tasche greifen.

Redaktion: Gibt es eine Lösung in solch einem Fall, mit der alle Seiten zufrieden sind?

Leander van Velzen: Die Frage kann nicht generell beantwortet werden.

Dem Arbeitnehmer stehen die vorgenannten Ansprüche auf Erstattung jeglicher Kosten, welche in Zusammenhang mit dem Urlaubsabbruch entstehen, zu. Dies ist unabdingbar.

Für den Arbeitgeber gilt, dass gemäß § 13 Bundesurlaubsgesetz Rückrufvereinbarungen im Arbeitsvertrag unwirksam sind. Dies würde dem Grundgedanken des Urlaubs widersprechen. So muss der Mitarbeiter den ihm zustehenden Urlaub uneingeschränkt, selbstbestimmt und möglichst zusammenhängend nutzen können. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn er jederzeit damit rechnen müsste, zur Arbeit gerufen zu werden.

Redaktion: Können Mitarbeiter sich mitten im Urlaub entscheiden, diesen abzubrechen und ihre Urlaubstage zu verschieben?

Leander van Velzen: Die Antwort lautet, wie so oft bei juristischen Fragen, „jein“.

Einigen sich Mitarbeiter und Arbeitgeber auf einen bestimmten Urlaubszeitraum und erhält der Mitarbeiter eine entsprechende Bestätigung, so ist es am Ende im Prinzip nichts anderes, als hätten beide Parteien einen Vertrag über die freien Tage geschlossen. Dieser Vertrag ist grundsätzlich einzuhalten.

Von diesem Grundsatz kann jedoch abgewichen werden, wobei dies nur einvernehmlich möglich ist. Allein bestimmen kann dies somit der Mitarbeiter nicht. Dies gilt somit gleichermaßen für den Mitarbeiter als auch den Arbeitgeber.

Im Ergebnis ist der einmal festgelegte und genehmigte Urlaub im Regelfall nicht mehr einseitig zu ändern. Soll der festgelegte Urlaub auf Veranlassung des Arbeitgebers oder des Mitarbeiters nachträglich geändert werden, bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien.

Titelbild: © NatRomero / stock.adobe.com

Beitragsbild: © Leander van Velzen

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