Neo-Broker sind App-Anbieter, die den unkomplizierten Handel mit Aktien ermöglichen sollen. Doch ist der flexible Aktienhandel via Smartphone wirklich so leicht, wie er anmutet? Wir werfen einen Blick auf den aktuellen Trend.
Phänomen Neo-Broker
Neo. Für viele stehen diese drei Buchstaben für Neuheiten oder den Hauptcharakter der Matrix-Filmreihe. Doch so simpel das Wort auch scheint, in jedem Fall birgt es eine gewisse Komplexität. Aktuell besonders im Finanzkontext. Inwiefern? Neo-Broker sind Finanzmakler, die via App jederzeit und von überall aus mit Wertpapieren handeln können. Dabei werben insbesondere die Platzhirsche auf dem Markt der Neo-Broker, Trade Republic, Scalable Capital oder finanzen.net zero, mit Börsenhandel zum Nulltarif. Besonders für die „Generation YouTube“ ist das digitale Börsenspiel dadurch attraktiv.
Und die Nachfrage steigt rasant. Während das Anlagevolumen im Jahr 2017 noch bei 91,47 Milliarden Euro durch 18,07 Millionen Nutzern lag, beträgt es inzwischen 350,95 Milliarden Euro von 62,42 Millionen Nutzern. Bis 2016 soll es – laut Prognosen der Statistikplattform Statista – bei 422,72 Milliarden Euro liegen, investiert von 69,47 Millionen Investoren. Dabei ist Deutschland auf Platz drei im weltweiten Vergleich. Den Ausreißer verkörpert die USA mit einem Anlagevolumen von 183,67 Milliarden Euro, gefolgt von China (23,63 Milliarden). Das Fin-Tech Trade Republic ist der Tagesschau zufolge inzwischen etwa halb so viel wert wie die Commerzbank. Eine Hausnummer für ein Unternehmen mit circa 500 Mitarbeitern.
Zum Nulltarif zu jeder Zeit
Die Orders der Kunden werden in vielen Fällen nicht – wie üblich – über einen Börsenplatz ausgeführt. Stattdessen läuft die Abwicklung über elektronische Handelsplätze. Für Neo-Broker ist das günstiger, denn: Sie müssen keine Börsengebühren zahlen. Die Anbieter von Fonds und ETFs zahlen Bestandsprovisionen an die Unternehmen, zudem reichen Market-Maker den Payment for Orderflow als Rückvergütung an die Neo-Broker weiter. Der Kunde gewinnt so gesehen, da er auch außerhalb der Börsenzeiten Handel betreiben kann. Zu günstigen oder ganz ohne Gebühren.
App und weg?
Zumindest vermeintlich. Denn die Anbieter der Neo-Broker Plattformen stehen vor allem dadurch in der Kritik, dass – hingegen der Werbeversprechen – eben doch Kosten existieren. Jedoch: versteckt. Denn gerade der große Vorteil, auch außerhalb der Börsenrandzeiten handeln zu können, entpuppt sich als Preisfalle. Nach Computerhandels der Deutschen Börse auf XETRA, um 17:30 Uhr, verteuert sich durch die Ausweitung der Spreads der Kauf eines Wertpapiers. Die Verbraucherzentrale rät hierzu:
„Neo-Broker müssen diese Provisionen Ihnen gegenüber offenlegen. Die AGB sind ein guter Ort, um danach zu suchen – auch wenn es in diesem “Kleingedruckten” manchmal mühsam ist.“
Die scheinbar kostenlose Möglichkeit zu handeln verleite zudem zum Zocken, warnen Experten. Ein weiterer Kritikpunkt: Das Angebot der Fin-Techs bietet nicht die ganze Bandbreite an Produkten.
Mit Vorsicht zu genießen
Risiken, die keine solide Anlagestrategie versprechen. Auch die BaFin hat entsprechend ein Regelwerk für Anlegerinnen und Anleger erstellt:
- Machen Sie sich bewusst, dass kein Neo-Broker-Angebot wirklich kostenlos ist. Die Höhe der Rückvergütung muss Ihnen Ihr Broker offenlegen.
- Treffen Sie Ihre Entscheidungen bewusst – sei es bei der Wahl Ihres Brokers oder bei der Handelsentscheidung für ein bestimmtes Wertpapier.
- Achten Sie darauf, dass Ihnen ein Neo-Broker möglicherweise nicht die Ausführung über alle Handelsplätze anbietet oder nicht alle Funktionen bereitstellt, die Ihnen für die Auftragserteilung wichtig sind, also zum Beispiel Limit-, Stop-Loss- und Stop-Loss-Limit-Order.
- Lassen Sie sich nicht von Kaufentscheidungen anderer Marktteilnehmer oder der Gestaltung der Trading-App zum Handel verleiten.
- Vergleichen Sie, wenn möglich, die aktuellen Geld- und Briefkurse an verschiedenen Handelsplätzen.
- Geld- und Briefkurse, die außerhalb der üblichen Börsenzeiten gestellt werden, können zum Teil deutlich vom Kurs des nächsten Handelstages abweichen. Wägen Sie daher genau ab, ob Sie dieses Risiko tragen möchten.
- Generell gilt, dass Sie Wertpapieraufträge limitieren sollten.
Denn: Auch, wenn Neo-Broker die Pflicht haben, nach bestem Wissen und Gewissen für Ihre Kundinnen und Kunden zu handeln, wenn die Neo-Broker im Ausland sitzen, ist es selbst der BaFin unmöglich, Vorschriften durchzusetzen. Entsprechend lohnt sich für Neo-Broker ganz nach Matrix die „rote Pille“ – rein ins Kaninchenloch, aber mit dem richtigen Hintergrundwissen.
Titelbild: © BullRun/stock.adobe.com