Die Reichensteuer findet seit Jahren immer wieder Gehör im öffentlichen Diskurs. Kürzlich forderten 100 Millionäre, dass der Staat sie stärker zur Kasse bitten möge. Was steckt hinter der Reichensteuer?
Reiche fordern Reichensteuer
„Besteuert uns“ – so die Forderung der Reichen. In einem gemeinsamen Brief (Das Dokument finden Interessierte unter diesem Link) haben jüngst 100 Millionäre von ihren Regierungen gefordert, mittels einer Besteuerung der „Top-Prozenter“ die sozialen Ungleichheiten des Planeten zu bekämpfen. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die US-Erbin Abigail Disney, die BASF-Erbin Marlene Engelhorn und der US-amerikanische Unternehmer Nick Hanauer. Der Brief bemängelt, dass die Coronavirus-Pandemie den Superreichen noch mehr finanzielle Mittel beschert habe.
Einer aktuellen Analyse der Fight Inequality Alliance, dem Institute for Policy Studies, Oxfam und den Patriotic Millionaires zufolge besitzen 3,6 Millionen Menschen weltweit einen Reichtum von mehr als fünf Millionen US-Dollar angehäuft. Davon besitzen 183.000 Menschen mehr als 50 Millionen US-Dollar, 2.660 Milliardäre besitzen zusammen 13,76 Billionen US-Dollar.
Zwei Prozent reichen aus
Die Organisation Oxfam hat bereits genauere Vorstellungen davon, wie eine solche Besteuerung aussehen könnte. Die Analyse hat ergeben, dass eine zweiprozentige Steuer für Millionäre und eine fünfprozentige Steuer für Milliardäre pro Jahr 2,52 Billionen US-Dollar generieren könne. Das sei genug, um 2,3 Milliarden Menschen aus der Armut zu holen, genug Impfstoff für die ganze Welt herzustellen und 3,6 Milliarden Menschen eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren.
„Ein System, das endlos den Reichtum der Reichsten aufbläht, während Milliarden zu – eigentlich leicht zu bekämpfender – Armut verdammt sind, kann ich nicht verteidigen. Wir brauchen einen tiefgreifenden Wandel, und der fängt bei der Besteuerung von Personen wie mir an“, sagte Morris Pearl, ehemaliger Managing Director bei Blackrock, dazu.
Deutschland vergibt Chancen
In Deutschland ist die Vermögenssteuer ebenfalls umkämpft. In einer schriftlichen Stellungnahme für die Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags am 19.4.2021 zum Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der FDP schrieb Dr. Katja Rietzler, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK): „Vermögen schafft die Möglichkeit, wirtschaftliche und politische Macht auszuüben. Eine hohe und zunehmende Vermögenskonzentration steht daher in einem Konflikt mit der Demokratie und kann nicht hingenommen werden.“ Bereits mit der Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer im Jahr 2009 habe die damalige Regierung großes Potenzial quasi verschenkt.
„Umfangreiche Verschonungsregeln für Betriebsvermögen haben dazu geführt, dass die effektiven Steuersätze mit steigendem Wert der Übertragung gesunken sind“, erklärt Rietzler. Damit habe die Politik seit 2009 „ohne Not“ auf ein wichtiges Instrument zur Begrenzung der Vermögensungleichheit verzichtet. Das haben viele der deutschen Vermögenden postwendend ausgenutzt. Viele große Vermögen seien in den vergangenen Jahren nahezu steuerfrei übertragen worden. „Eine erneute Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer käme zu spät.“
Ritzler schlägt mehrere Stellschrauben zu einer konkreten Ausgestaltung einer möglichen Neuaufnahme der Vermögenssteuer vor. Das resultierende Steueraufkommen könne dann von einem niedrigen einstelligen bis zu einem deutlich zweistelligen Milliardenbetrag reichen. Zum Beispiel:
- Höhe des persönlichen Freibetrags
- Abschmelzen des Freibetrags
- Gesonderter Freibetrag für Betriebsvermögen (fünf Millionen, kein gesonderter Freibetrag)
- Steuersätze (1,0 Prozent bis 1,5 Prozent in Abhängigkeit von der Vermögenshöhe)
Exodus der Reichen
Kritiker der Reichensteuer verweisen dagegen auf eine mögliche Abwanderung der Besteuerten. Denn auch wenn 100 Millionäre aus aller Welt nun um eine Besteuerung baten, gibt es weltweit mehr als 20 Millionen Millionäre, berichtete DW. Die 100 sind demnach nur ein Tropfen auf dem heißen Stein – viele reiche Familien ziehen dem Handelsblatt zufolge etwa in die Schweiz, wenn sie in ihren Heimatländern Steuererhöhungen fürchten. Allerdings erheben die Kantone ebenfalls eine Vermögenssteuer, wenn auch eine sehr geringe. Zum Exodus der Reichen hat das bisher noch nicht geführt.
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