Kunden verhalten sich an den Finanzmärkten nicht immer logisch und rational nachvollziehbar. Das trifft auf die Auswahl der Geldanlage zu, ebenso auf den Umgang mit eigenen Anlage- und Versicherungsprodukten. Vermittler können sich manchmal trotz guter Beratung nicht erklären, weshalb Kunden die eine oder andere Entscheidung treffen. Weshalb verhalten sich zum Beispiel Anleger manchmal so wenig nachvollziehbar? Eine Erklärung findet sich im Bereich Behavioral Finance.
Was ist Behavioral Finance?
Behavioral Finance bedeutet übersetzt Finanzverhalten und ist ein relativ junger Teilbereich der Wirtschaftswissenschaften. Im Fokus stehen unbewusste Verhaltensweisen von Akteuren an den Finanz- und Versicherungsmärkten. Diese basieren oft auf individuellen (und häufig ebenfalls unbewussten) Faustregeln. Vereinfacht gesagt: Behavioral Finance hat die Psychologie der Handelnden, oftmals Anleger und Versicherungskunden, im Blick.
Der moderne Wissenschaftsbereich versucht zu erklären, warum sich Akteure an den Märkten so verhalten, wie sie es tun. Dabei stehen vor allem (unbewusste) Emotionen und Verhaltensweisen im Fokus, die sich auf Entscheidungen im Finanzbereich auswirken. Obwohl es sich noch um einen jungen Bereich handelt, steht bereits jetzt eines fest: Kunden handeln oftmals nicht so rational und logisch, wie es die bisherigen Standardtheorien annehmen.
Darauf basiert die Theorie zum Finanzverhalten
Behavioral Finance basiert auf mehreren Hauptthemen, die Grundlage für die Gesamttheorie sind. Menschen treffen auch im Finanzbereich Entscheidungen oft auf Basis einfacher und schnell umsetzbarer Regeln. Das sind sogenannte Heuristiken. Durch diese können komplexe Fragen schnell und einfach – wenn auch nicht zu 100 Prozent korrekt und vollumfänglich – beantwortet werden.
Besonders interessant für die Praxis ist der sogenannte Framing-Effekt. Dieser sagt Folgendes aus: Die Aktion eines Handelnden wird unter anderem dadurch beeinflusst, auf welche Weise zum Beispiel der Vermittler ein Problem erklärt oder eine Empfehlung ausspricht. Es geht in dem Fall weniger um die Inhalte, sondern um die Art der Darstellung.
Präsentation von Informationen beeinflusst Entscheidung
Eine wichtige Erkenntnis aus dem Bereich Behavioral Finance ist, dass die Präsentation eines Produktes oder einer Problemlösung Einfluss darauf haben kann, ob sich der Kunde dafür oder dagegen entscheidet. Wer bei der Vermittlung bisher ausschließlich auf sachliche Argumente, viele Informationen und Fakten setzt, könnte darüber nachdenken, die Erkenntnisse aus dem Bereich Behavioral Finance zusätzlich zu nutzen – und so noch besser zum Kunden durchdringen.
Ein Beispiel ist die Präsentation, in in der Sie direkte Fragen an den Kunden richten. Diese sollen auflockern, wie etwa: „Wie stellen Sie sich Ihren Ruhestand später vor?“. Ein anderes Beispiel zur Umsetzung der Erkenntnisse für die Praxis ist, dass Sie dem Kunden einige Projekte nennen, die er durch die zusätzliche Rente später realisieren könnte. Das können beispielsweise längere Reisen oder ein etwas kostspieligeres Hobby sein, etwa das Golfen.
Schlüsse von der Theorie auf die Praxis
Außerdem sollten Makler die Kundschaft nicht mit zu vielen Informationen überlasten. Die argumentative Ebene ist wichtig, aber das Durchdringen zum Kunden basiert oft auf dem (zwischenmenschlichen) Verhalten des Vermittlers. Daher kann es zusätzlich sinnvoll sein, Emotionen zu wecken und psychologische Faktoren mit einzubeziehen. Für den Erfolg ist es ohnehin unabdingbar, sehr individuell auf den Kunden einzugehen.
Emotionen lassen sich beim Kunden zum Beispiel dadurch wecken, dass die Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge dargestellt wird. Sie stellen zum Beispiel bildhaft gegenüber, wie der Alltag später nur mit gesetzlicher Rente einerseits und demgegenüber mit einer Zusatzrente andererseits aussehen könnte. Alternativ können Sie mit Blick auf vorhandene Kinder aufzeigen, dass diese den Kunden später nicht finanziell unterstützen müssen, wenn er privat vorgesorgt hat. Die Kinder freuen sich weiterhin auf unbeschwerte Besuche der Eltern ohne finanzielle Verpflichtungen.
Anwendungsbeispiel auf Grundlage von Behavioral Finance
Haben Sie beim Vermitteln einer Lebensversicherung vor allem mit der finanziellen Absicherung der Angehörigen im Todesfall argumentiert? Bei manchen Kunden ruft der damit verbundene Gedanke an den Tod sofort – oft unbewusst – negative Gefühle hervor. Ohne es zu merken, ist der Kunden vielleicht schon dadurch ein Stück weiter entfernt vom Abschluss.
Nach den Erkenntnissen der Behavioral Finance sind es besonders positive Emotionen, die Entscheidungen – ebenfalls positiv – beeinflussen. Daher ist ein Durchdringen zum Kunden oftmals besser möglich, wenn Vorteile des Produktes wie Sicherheit, gute Rendite und Transparenz erwähnt werden. Das kann zum Beispiel das Bild eines gesicherten Ruhestandes sein, den der Kunde mit einem guten Buch auf seinem Schaukelstuhl im Garten des eigenen Hauses genießt.
Tipps zur Umsetzung
Manche Tipps berücksichtigen die recht neuen Erkenntnisse aus dem Bereich Behavioral Finance bereits. Sie können dabei helfen, in der Praxis (noch) besser zum Kunden durchzudringen:
- Art der Präsentation / des Gesprächs hat Einfluss auf Kundenentscheidung
- Positive Emotionen wecken – gerne mit anschaulichen Bildern (für den Kopf)
- Im Hinterkopf für die Argumentation haben: Verluste wiegen schwerer als Gewinne
- Problemlösung in den Vordergrund stellen
- Soziologische Einflüsse beachten
- Nachvollziehbare Informationen/Fakten sind wichtig, aber nicht alleine ausschlaggebend
Es ist hilfreich, immer im Hinterkopf zu behalten, dass Kunden ihre Entscheidungen nicht nur auf Basis objektiver Daten, Zahlen und sachlicher Argumente treffen – auch wenn diese noch so überzeugend sind.
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