Sparen überall – das war die Devise für das Jahr 2022. Sei es Geld oder Energie, die Ressourcen waren knapp. Nun stehen die ersten Zeichen auf Entspannung. Aber welche Auswirkungen haben die miteinander vermischten Krisen tatsächlich? Und wen betreffen sie am meisten?
Steigende Inflation
Fangen wir bei der Coronavirus-Pandemie an. Die Krise ist noch allzu präsent, immerhin hatten sich die globalen Lieferketten kurz vor Ausbruch des Ukraine-Krieges noch nicht einmal vollständig erholt. Bis Ende 2022 – so hatte es etwa die Bundesbank noch im Dezember 2021 vorausgesagt – sollten sich die Lieferengpässe wieder auflösen. Ein Aufschwung bei den Exporten sei eine mögliche Konsequenz. Dieser „kräftige Aufschwung“ hätte zur Folge haben sollen, dass die wirtschaftlichen Kapazitäten ab der zweiten Jahreshälfte 2022 „überdurchschnittlich ausgelastet“ wären.
Dasselbe prognostizierten verschiedene Institutionen auch für die Inflation. Diese war bereits zwischen 2020 und 2021 von 0,5 Prozent auf rund 3,1 Prozent angestiegen. Im Januar ging die Europäische Zentralbank von einer Entspannung aus, sodass bis Dezember ein Inflationszielwert von 2,0 Prozent erreicht werden sollte. Die Nachfrage wuchs, während das Angebot stetig zurückging. Doch woran lag das?
Was geschah in der Pandemie?
Besondere Auswirkungen hatten die Corona-Restriktionen an den Knotenpunkten, die für die globalen Lieferketten so wichtig sind: den Häfen. Teils verlangsamt die Pandemie noch heute den Handlungsrahmen der Häfen von der Containerverfrachtung bis hin zum Transfer von Personal. Verspätungen in den Fahrplänen sorgen für fehlende Container, die zum Zeitpunkt der neuen Beladung schlicht nicht vorhanden sind. Schiffe müssen tagelang auf Be- und Entladung warten, berichtete zum Beispiel das ZDF.
„Wir können unsere Seeleute immer noch nicht einfach so an Bord bringen, wie wir das gewohnt waren, und sie auch nicht ungehindert von Bord holen“, zitiert das ZDF die Chefin der Hamburger Peter Döhle Schifffahrts-KG.
Fazit: Auch ohne den Krieg in der Ukraine hätten die Lieferketten sich nicht allzu schnell wieder erholt.
Wer ist betroffen?
Die Preissteigerungen in der Wirtschaft treffen dabei nicht alle Haushalte im selben Maße. Wie stark die Inflation sich auf einen Haushalt auswirkt, hängt zum Beispiel von den zusätzlichen Belastungen ab und davon, wie hoch der Konsumanteil der betroffenen Gruppe an denjenigen Gütern ist, die nun besonders teuer sind. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) in Berlin geben Haushalte mit niedrigerem Einkommen (unterste 20 Prozent) einen höheren Anteil ihres Geldes für Nahrungsmittel, Wohnen und Haushaltsenergie aus als die oberen Einkommensgruppen. Bei den einkommensstärksten Haushalten (oberste 20 Prozent) ist der Anteil dieser Grundbedürfnisse am Gesamtkonsum geringer, dafür investieren diese mehr in Möbel, Haushaltszubehör, Freizeit und Kultur sowie in Gaststättenbesuche. Die genauen Zahlen gibt es beim DIW.
Die Energiekrise
Hinzu kommt noch eine zweite Krise, die die Energiepreise betrifft. Der Preis für Erdgas stieg bereits Monate vor dem Ukraine-Krieg deutlich an. Im November 2021 stand ein Plus von 5,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat auf dem Papier. Abgesehen von den nun fehlenden Importen (die Ukraine war zum Beispiel einer der Hauptlieferanten für Getreide) brachte der Krieg jedoch einen gravierenden Erdgasmangel, sodass der Preis schon im Februar um 22,2 Prozent wuchs (gegenüber 2021). Nachdem Deutschland jahrelang auf vergleichsweise billiges russisches Gas bauen konnte, hat der Kreml den Export über 2022 schrittweise zurückgefahren. Mittlerweile fließt kaum mehr russisches Gas nach Europa.
Genug gespart?
Im Laufe des vergangenen Jahres machte die „Energiekrise“ darum häufiger Schlagzeilen. Experten warnten vor einem Mangel an Gas. Schreckensszenarien von Betriebsschließungen und frierenden Europäern machten die Runde. Aktuelle Zahlen der Bundesnetzagentur scheinen dahingehend erste Entwarnung zu geben. Die Versorgungssicherheit sei gewährleistet – die Agentur bewertet die Lage als weniger angespannt als noch im Dezember. Sowohl die Temperaturprognose und die Speicherfüllstände, als auch die Situation in den Nachbarländern und die Beschaffung der Regelenergie seien „stabil“. Mit einem Speicherstand von 79,82 Prozent sind die Gasspeicher so voll wie seit Jahren nicht mehr. Die Tagesschau titelte Mitte Januar gar „Ist die Gaskrise schon vorbei?“ Trotzdem bleibt laut Bundesnetzagentur ein sparsamer Gasverbrauch wichtig.
60 Euro pro Megawattstunde
Die massiven Preiserhöhungen begründeten die Energieversorger hauptsächlich mit den gestiegenen Beschaffungskosten. Diese sinken derzeit deutlich; laut der Tagesschau sind die Gaspreise auf den Energiemärkten derzeit so niedrig wie zuletzt im Herbst 2021. Der europäische Gas-Future TTF notiert derzeit bei 60 Euro pro Megawattstunde (von 345 Euro im Sommer). Demnach kann es nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Erleichterung bei den Endkunden ankommt. Die Versorger dämpfen diese Erwartungen jedoch.
Wer ist betroffen?
Eines steht fest: Die Engpässe bei der Energieversorgung sind an keinem Deutschen spurlos vorübergegangen. Regional gesehen trifft die Energiekrise Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Hessen und Nordrhein-Westfalen am stärksten. In einer Umfrage fand die IHK Schwaben heraus, dass 37 Prozent aller Unternehmen stark oder sogar sehr stark unter diesen Engpässen litten. Die Industrie und Bauwirtschaft sind davon mit 47 Prozent eher benachteiligt als andere Branchen. Ende Januar gab etwa der Wohnkonzern Vonovia bekannt, alle Neubauprojekte, die für das Jahr vorgesehen waren, auf Eis zu legen.
Experten gehen davon aus, dass unter den Endkunden vor allem Rentner und Geringverdiener finanziell von den höheren Energiepreisen belastet werden. Die Bundesregierung hat daher mehrere Entlastungspakete geschnürt, die unter anderem steuerliche Vergünstigungen und Einmalzahlungen enthalten. Weitere Informationen dazu gibt es hier im collectiv-Blog.
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