Der Trend zum Neobroker: Wo bleibt der Vermittler?

Der neuste digitale Trend: Selbstverwaltung von Aktien und ETFs durch sogenannte Neobroker. Diese Apps und Plattformen ermöglichen es finanzielle Investitionen selbstständig und ohne direkte Beratung zu tätigen. Aber könnte es nicht gerade für finanzielle Neueinsteiger von großem Mehrwert sein, einen erfahrenen Berater an ihrer Seite zu haben?

Neo in der Finanz-Matrix

Die Anzahl der Aktienbesitzer in Deutschland ist laut Statista mit rund 17,5 Prozent auf dem höchsten Stand seit 2002. Das liegt unter anderem an Tradig-Apps, den sogenannten Neobrokern. Das sind digitale Plattformen, die den Nutzern eine direkte Interaktion mit Finanzmärkten ermöglichen. Plattformen wie Justtrade, Scalable Capital und Trade Republic haben in den vergangenen Jahren einen regelrechten Hype erlebt. Nutzer können dort innerhalb von Sekunden Aktien oder ETFs kaufen und verkaufen, und das oft gebührenfrei und direkt vom eigenen Smartphone aus. Für viele, insbesondere junge Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren, ist diese Art des Investierens attraktiv. Der Reiz liegt in der Schnelligkeit, Unkompliziertheit und (nahezu) Kostenfreiheit: Das Einrichten eines Kontos dauert gerade einmal fünf Minuten. Trading ist ähnlich simple wie eine WhatsApp zu schreiben und kostet nichts oder nur wenige Euro.

Ohne Plan zum Sparplan?

Nie zuvor war es für unerfahrene Investoren so einfach, sich eine vermeindlich attraktive Investmentoption herauszusuchen und dafür einen Sparplan zu erstellen, um sein Geld anzulegen. Doch nicht alle sehen diesen Trend positiv. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen weist in einer aktuellen Übersicht allerdings darauf hin, dass die „scheinbar kostenlose Möglichkeit zu kaufen und zu verkaufen auch zum Zocken verführen“. Außerdem fehlt die Bereitstellung von Anlageberatung – ein wichtiger Bestandteil des Anlageprozesses, der bei Neobrokern fehlt oder nur als optionale Lektüre verfügbar ist. Hier liegt es am Finanzberater, die finanzielle Situation des Kunden einzuschätzen und gemeinsam mit ihm die richtige Anlagestrategie zu finden. Das ist bekanntlich vor allem für Neueinsteiger am Finanzmarkt Gold wert.

Gratis war gestern?

Doch hat das Geschäftsmodell eine langfristige Zukunft? Was passiert, wenn die Nutzung von Neobrokern plötzlich nicht mehr kostenfrei wäre? Keine gewagte These, denn bereits jetzt möchte sich die EU in das Handelsmodell der Plattformen einschalten. Der Grund: Neobrokern arbeiten nach dem Modell „Payment for Orderflow“ und erhalten Geld dafür, wenn sie bestimmten Börsenbetreibern Kunden vermitteln. Anstatt vieler verschiedener Börsenmärkte bieten Neobroker-Betreiber ihren Anlegern daher weniger, meist sogar nur einen Markt für Aktiengeschäfte an. Nämlich die Märkte, von denen sie am meisten Geld erhalten. Eine Ausweitung auf andere, für die Unternehme weniger lukrative Börsenmärkte, könnte sich auch auf die Gebührenstruktur der Apps auswirken. Das wiederum könnte dafür sorgen, dass der Trend zu Neobrokern abnimmt.

Dies wäre allerdings nicht unbedingt ein Rückschritt. Es könnte Raum für hybride Modelle schaffen, in denen Neobroker und traditionelle Anlageberatung Hand in Hand gehen. Junge Anleger könnten die Vorteile beider Welten nutzen: die Schnelligkeit und Flexibilität von Neobrokern sowie die Expertise und Beratung traditioneller Anlageberater. Die Integration von Beratungsdiensten in Neobroker-Plattformen könnte auch eine Möglichkeit sein, zusätzliche Gebühren zu rechtfertigen und den Mehrwert dieser Plattformen zu erhöhen. Denn es bleibt wichtig, dass Anleger über die Vorteile und Risiken aller Optionen aufgeklärt sind und dass sie Zugang zu den Ressourcen und Unterstützung haben, die sie für ihre Anlageentscheidungen benötigen. Egal ob durch Neobroker oder traditionelle Beratung – es ist klar, dass die Selbstverwaltung von Finanzen eine wichtige Rolle in jedermanns finanzieller Zukunft spielt.

Titelbild © yurolaitsalbert

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