Was im Nachbarland Österreich bereits gilt, soll demnächst auch für die Deutschen zum Gesetz werden: Die Möglichkeit einer Weiterbildungszeit von bis zu einem Jahr. Im Kleinen gibt es ähnliche Modelle für einige Bundesländer schon jetzt.
Vorbild: Österreich
Konkurrenzfähig bleiben, darin besteht die Absicht der Österreicher hinsichtlich ihrer Weiterbildungszeit. Wie auch in Deutschland herrscht zunehmender Fachkräftemangel, es besteht ein arbeitgeberfreundlicher Markt. Wer „den nächsten Schritt auf der Karriereleiter machen will“, den unterstützt das AMS, das österreichische Pendant zum deutschen Arbeitsamt, mit einem breiten Angebot an rund 55.000 Kursen. Jeweils durch finanzielle Förderung unterstützt. Auch das Wirtschaftsförderungsinstitut (Wifi) oder die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) unterstützen das Projekt branchenübergreifend durch Seminare, Lehrgänge oder ein Fernstudium.
Entscheiden sich Arbeitnehmende für eine dieser Weiterbildungen, erhalten sie die sogenannte Bildungskarenz. Hier stellt der Arbeitgeber von der Pflicht der Arbeitsleistung frei, während er einenTeil des Gehalts weiterhin vergütet. Die Voraussetzung: Der Arbeitnehmer muss sich seit mindestens sechs Monaten in einer Voll- oder Teilzeit-Festanstellung bei dem jeweiligen Unternehmen befinden. Und der Arbeitgeber muss zustimmen. Eine Pflicht zur Freistellung gilt nämlich nicht.
Plan für ein deutsches Modell
Während die österreichische Bildungskarenz bereits seit 1998 besteht, entdeckt die deutsche Politik das Modell erst jetzt für sich. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an: „Wir werden nach österreichischem Vorbild eine Bildungszeit in Deutschland ermöglichen“.
Sein Plan: Wer nach dieser künftigen Gesetzesvorlage die Fortbildungsmaßnahmen von bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen möchte, erhält Unterstützung aus der Kasse der Bundesagentur für Arbeit. Die Höhe der Zahlungen: entsprechend des Arbeitslosengeldes. Demnach also 60 Prozent des Einkommens oder 67 Prozent für Familien.
Weiterbildungszeiten: Teuer und realitätsfern?
So ambitioniert der Plan des Arbeitsministers klingt, Experten äußern sich eher skeptisch. So merkt die Ökonomin Ulrike Famira-Mühlberger in einem Interview mit der Wirtschaftswoche an, dass die Möglichkeit einer geförderten Weiterbildungszeit zwar grundsätzlich positiv zu bewerten sei, zeitlich jedoch wohl die wenigsten Arbeitnehmer während einer Vollzeitstelle noch das Angebot einer Weiterbildung wahrnehmen könnten. Das Angebot zu schaffen ergäbe auch auf Grund der extremen Halbwertszeit technologischer Entwicklungen Sinn, jedoch tauge das österreichische Modell nicht uneingeschränkt als Vorbild.
Und auch arbeitgeberseitig gerät vor allem der zeitliche Aspekt in die Kritik. Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft, äußerte gegenüber der Funke Mediengruppe: „Ein Gesetz, das eine Weiterbildungs-Auszeit bis zu einem Jahr ermöglicht, geht völlig an der betrieblichen Realität vorbei.“ Ein weiterer Kritikpunkt seinerseits: Die Finanzierung müsse geklärt sein. Und hier stimmt er offenbar mit dem Finanzministerium überein. Wie der Spiegel berichtet, liegen die Pläne zum Weiterbildungsgesetz derzeit auf Eis, da Finanzminister Christian Lindner (FDP) Vorbehalte aus haushaltspolitischen Gründen hegt. Die Abstimmung läuft derzeit noch.
Vom Kleinen ins Große
Wer jetzt versucht ist, sämtliche Weiterbildungsambitionen doch wieder auf das Angebot an VHS-Kursen zu beschränken, dem bietet sich noch eine weniger umfangreiche, jedoch beständige Alternative: Bildungsurlaub. Im Wesentlichen gliedert dieser sich in drei Arten:
- politische Bildung
- berufliche Weiterbildung oder
- Kurse zur Wahrnehmung eines Ehrenamtes.
Lediglich Bayern und Sachsen bieten (noch) keinen Bildungsurlaub, Arbeitnehmenden aller übrigen Bundesländer stehen jährlich fünf Tage oder zweijährig zehn Tage für „die kleine Bildungskarenz“ zu. Im Gegensatz zum österreichischen Langzeitmodell ist es für Arbeitgeber verpflichtend, die beantragten Tage zu genehmigen. Selbstverständlich ist dabei, soziale Aspekte nicht aus den Augen zu verlieren. Wer seinem Arbeitgeber zu kurzfristig Bescheid gibt, wird nicht auf Begeisterung stoßen. Umgekehrt können Unternehmer das Modell auch für sich nutzen. Und sei es nur als Inspiration für ein gemeinsames Team-Event für einen guten Zweck. Für das klassische Modell des Bildungsurlaubs ist zudem wichtig zu wissen, dass zwar in dieser Zeit eine Lohnfortzahlung besteht, der Arbeitgeber jedoch nicht für anfallende Kosten, beispielsweise für Lehrmittel oder Fahrten, aufkommen muss.
Übrigens: Weiterbildung während der Arbeitszeit ist mit dem Angebot der WWK möglich. Die WWK Akademie Online bietet ein wöchentliches Angebot IDD-konformer Onlineseminare. Die Übersicht dazu finden Interessierte im Web-Seminarkalender.
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