Immer mehr Anleger wenden sich passiv gemanagten Fonds zu, behauptet das Rating-Haus Morningstar in einem aktuellen Beitrag. Das könnte zu einer Zukunft ohne aktiv gemanagte Fonds führen. Wie sieht das in Deutschland aus?
Kunden schlagen den Markt – oder nicht?
Haben Anleger überhaupt noch die Ambition, „den Markt zu schlagen“? Für aktive Fonds ist das eines der Hauptziele; durch geschicktes Kaufen und Abstoßen von Aktien durch den Fondsmanager soll die Rendite des Fonds über der des Marktes liegen. Passive Fonds, oft auch als Indexfonds oder ETFs bezeichnet, versuchen, die Performance eines bestimmten Marktes oder Indexes nachzubilden. Dadurch streben sie nicht danach, den Markt zu schlagen, sondern seine Performance zu replizieren. Das bedeutet, nach Abzug von Kosten wird die Performance in der Regel leicht unter dem Marktergebnis liegen.
Laut einem aktuellen Bericht des Rating-Hauses Morningstar hatten Indexfonds im Jahr 2022 global betrachtet Zuflüsse von 747 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen, ihr Anteil am Weltmarkt wuchs um 2,3 Prozent, aktuell liegt die Marktkapitalisierung bei 20 Prozent bis 25 Prozent. Für den Autor war das ein Grund, einen Blick auf eine mögliche Zukunft ohne aktiv gemanagte Fonds zu werfen. Wie sieht diese Entwicklung in Deutschland aus?
Kein Grund zur Sorge bei aktiven Fonds?
Das Analysehaus Morningstar jedenfalls hält die Abkehr von aktiv gemanagten Fonds für potenziell gefährlich. Ralf Lex, Vorstand der ecoblue AG aus München, ist diesbezüglich optimistisch. „Das ist vorrangig eine Frage des Volumens“, sagt Lex dazu. „Wenn es gar keine aktiv gemanagten Fonds mehr gibt, sondern nur noch ETFs, dann kann ich dieses Sentiment durchaus nachvollziehen.“ Allerdings sei diese Sorge derzeit unbegründet. ETFs erfreuen sich zwar eines stetigen Wachstums, doch das tun anderen Fonds ebenso. Der Experte sieht keine Gefahr, solange sich das Verhältnis von ETFs zu klassischen Fonds nicht „dramatisch ändert“.
„So, wie es sich derzeit realistisch darstellt, besteht kein wirklicher Grund zur Sorge.“
Ein annehmbarer Marktanteil
Ein solcher Grund besteht Ralf Lex zufolge erst dann, wenn die Marktkapitalisierung von ETFs die 50 Prozent übersteigen sollte. Aktuell liegt sie zwischen 20 Prozent und 25 Prozent, also noch in einem akzeptablen Rahmen.
Doch warum wäre es überhaupt so schlecht, wenn ETFs an Marktumfang gewinnen? „Ein ETF bildet eben nur den Kapitalmarkt ab. Natürlich ist dieses Modell sehr kostengünstig, allerdings steht dahinter kein Manager, kein Mensch“, erklärt Ralf Lex. Es gebe keine Zukunftsprognosen, wie sie etwa beim aktiv gemanagten Fonds eine Rolle spielen. „Solange der Markt noch von aktiv gemanagten Fonds dominiert wird, bei denen Unternehmenskennzahlen und Unternehmensentwicklungen eine Rolle spielen, wird der ETF „hinterherlaufen“, erklärt Lex. Wenn der ETF aber ein zu großes Gewicht habe, würden die Einflüsse aus der Unternehmensführung am Kapitalmarkt immer weiter zurückgedrängt. Das berge das große Problem: Sobald Unternehmensentwicklungen keine Rolle mehr bei der Entwicklung der Märkte spielen, würde das System nicht mehr funktionieren.
Vorteile beider Modelle
Gleichzeitig sind ETFs sehr bequem und kostengünstig, logisch, es sind weder Marktanalysen noch Recherchen notwendig, damit sie funktionieren. Man kann sie sehr schnell und flexibel handeln, auch online. Das bringt den Vorteil mit sich, dass Kunden breit investieren können, ohne sich um die Auswahl der Einzeltitel zu kümmern.
Bei aktiv gemanagten Fonds dagegen sind stets einige Tage Verzug einzuplanen. Trotzdem sollten Kunden keineswegs auf sie verzichten. Mit dem Fondsmanager profitieren Kunden von einem umfangreichen Know-how. Das wiederum birgt die Chance, den Markt zu schlagen, sprich also mehr Rendite zu erwirtschaften als dieser – und damit auch mehr Rendite als der ETF es kann.
Umdenken wegen Bequemlichkeit?
Wenn also Bequemlichkeit ein Faktor dafür ist, dass sich mehr Kunden dem ETF zuwenden, besteht die Gefahr, dass zu viele Kunden den bequemen Weg wählen? Nein, befindet Ralf Lex. „Unsere Kunden sind hier anders aufgestellt. Sie vertrauen uns einen Teil ihres Vermögens an und wissen, dass wir richten und berichten, was damit geschieht.“ Dass sie sich spontan massenhaft den ETFs zuwenden, hält Lex nicht für realistisch.
„Sie vertrauen erstens unserer Expertise und vertrauen uns als Menschen.“
Dabei rät der Experte zum Weg über den Finanzberater, denn Kunden machen durchaus Fehler bei der Anlage. Sie lassen sich zu sehr emotional beeinflussen. „Durch diese Emotionalität entstehen etwa eigenständige Versuche, mit dem Markt-Timing mitzuhalten, was häufig schiefgeht. Kunden verpassen den korrekten Zeitpunkt zum Ein- oder Aussteigen und hinken dann hinterher, wenn die entsprechende Marktbewegung bereits vorüber ist“, erklärt Ralf Lex. „Behavioral Finance“ kommt ins Spiel. „Ein Teil von Behavioral Finance ist dem Umstand geschuldet, dass Anleger einen Gewinn anders bewerten als einen Verlust. Dazu ein Beispiel: Ein Kunde gewinnt an einem Tag 100 Euro, das ist dann ein ganz netter Gewinn. Wenn er aber am nächsten Tag 100 Euro verliert, ist das ungleich schmerzlicher für ihn.“
Außerdem hören die Anleger auf sogenannte „Stammtischparolen“. Wenn etwa ein Bekannter von bestimmten Erfolgen berichtet, möchten andere Kunden das nachmachen und ebenfalls ein Stück vom Kuchen abbekommen. Dieses Bedürfnis gilt es für Kunden im Zaum zu halten.
Für weitere Informationen zum Aktienmarkt Europa hat Oliver Mest hier eine Zusammenfassung geliefert. Und im Beitrag „Mit Inflationsausgleich zu mehr Altersvorsorge“ verraten wir, wie die WWK hinsichtlich der Altersvorsorge unterstützt.
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