Das deutsche Rentensystem schwächelt. Ein Anheben des Renteneintrittsalters könnte eine Lösung sein. Was würde das für die private Vorsorge bedeuten?
Aufruhr bei der Rentenfrage
Ein kurzer Rückblick: Anfang Juni schlugen Berater der Bundesregierung eine Reform der Rente vor, die vorsah, das Renteneintrittsalter auf 68 anzuheben. Andernfalls drohten „schockartig steigende Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025“, zitiert die Tagesschau. Das habe ein neues Gutachten offengelegt. Aktuell sieht die Rechtslage einen Anstieg der Altersgrenze von 65 auf 67 bis 2029 vor. Die Ankündigung löste bei verschiedenen Akteuren in Medien und Politik einen Aufruhr aus. Den ganzen Bericht des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finden Interessierte unter diesem Link.
Die Rente mit 70
Dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) reicht das nicht. Je älter die Bevölkerung wird, so argumentiert das Institut, umso höher muss der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung sein. Unter den aktuellen Bedingungen prognostiziert das IW einen Anstieg des Beitragssatzes auf 22,1 Prozent (bis 2040) und plus 23,6 Prozent bis 2060. Ein Anheben der Regelaltersgrenze auf 70 Jahre könnte den Anstieg des Beitragssatzes bremsen und das Sicherungsniveau stabilisieren. Das Institut wirft dabei auch einen Blick auf andere Länder: Dänemark zum Beispiel wird die Rente mit 68 ab 2030 einführen, die Niederlande haben die „Rente mit 67“ bereits heute. Beide Länder passen das Renteneintrittsalter gemäß der Lebenserwartung an. Ein Umstand, der den Deutschen mehr Planungssicherheit im Alter verschaffen würde, befindet das IW.
Den vollen Bericht über die Vorschläge zur Rentenreform gibt es hier.
Agile Rentner
Das große Problem dahinter ist bekannt: Der demografische Wandel sorgt für eine wachsende Gruppe der Rentner, während die arbeitende Bevölkerung in Relation dazu schrumpft. Gerade die „Baby-Boomer“, die zwischen 1955 und 1970 geboren sind, hinterlassen wegen ihrer Masse große Lücken am deutschen Arbeitsmarkt. Wegen der stets steigenden Lebenserwartung und der besseren Fitness beziehen die Rentner ihre Rente zudem länger als die Generationen vor ihnen.
1.200 Euro Rente
Hinzu kommt, dass der aktuelle Rentenwert bereits seit Jahren ansteigt. Konkret wuchs er zwischen 2010 und 2020 um 25,7 Prozent (Westdeutschland) beziehungsweise 37,7 Prozent (Ostdeutschland). Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, war vor allem zwischen 2016 und 2020 eine überdurchschnittlich hohe Rentensteigerung zu beobachten. Die heutigen Rentner müssten demnach gut versorgt sein – zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten bleibt die durchschnittliche Rente trotzdem weit hinter dem Verdienst vor der Rente zurück. Das legte zumindest der Rentenversicherungsbericht 2020 offen. Demzufolge bekamen Männer zum Stichtag 1. Juli 2019 durchschnittlich 1.187 Euro Rente von der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Frauen erhielten monatlich im Schnitt 764 Euro. Zum Vergleich: Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in Deutschland verdienten 2020 im Schnitt 3.975 Euro brutto. Die Lücke ist offensichtlich – mehr als ein Drittel der Deutschen hat dennoch nicht zusätzlich privat vorgesorgt. Dementsprechend besteht Beratungsbedarf.
Chancen für die private Vorsorge
Für die private Vorsorge bedeutet ein höheres Renteneintrittsalter zunächst einmal eine Chance. Wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) berichtet, heißt eine längere Arbeitszeit vor allem eins: Je länger die Sparphase andauert, umso geringer können die Sparbeiträge potenziell sein. Dazu gehört ein früher Beginn genauso wie ein späteres Ende. Je näher das Rentenalter dagegen zu Beginn der Ansparphase ist, desto mehr müssen die Sparer investieren und umso vorsichtiger müssen sie mit der Wahl des entsprechenden Produkts sein. Verluste sind im späteren Verlauf nicht mehr leicht auszugleichen. Für Kunden können private Vorsorgeprodukte angesichts des steigenden Renteneintrittsalters ein finanzieller Lichtblick sein.
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